Die Wagen des Venice-Simplon-Orient-Express

 

 

Zerbombt, beschossen und in Schneestürmen steckengeblieben – die Geschichte des Orient-Express ist abwechslungsreich und sagenumwoben.

Alle Wagen des heute berühmten Venice Simplon-Orient-Express haben ihre ganz eigene Geschichte und sind viele Jahre im Dienste verschiedener Eisenbahngesellschaften über die Grenzen hinweg durch Europa gefahren.

Jeder Wagen hat einen besonderen Charakter, der ebenso fasziniert wie die einzelnen Persönlichkeiten, die in diesem behaglichen Rahmen reisten.

 

Auf dem europäischen Festland wurden die Wagen immer mit Nummern gekennzeichnet. Hinter den scheinbar unauffälligen Zahlen stecken jedoch Geschichten und Geschichte.

Der Schlafwagen 3309 beispielsweise gehörte zu einem Zug, der 1929 voll besetzt zehn Tage lang 90 Kilometer von Istanbul entfernt in einem Schneesturm feststeckte. Die Passagiere überlebten nur dank der Hilfe von türkischen Dorfbewohnern aus der Umgebung. Schlafwagen 3425 war Teil des Orient-Express Zuges, den König Karl von Rumänien nutzte. Einige Orient-Express Wagen fuhren auch während des Zweiten Weltkrieges; entweder waren sie von der deutschen Armee beschlagnahmt worden oder aber sie fuhren unter amerikanischer Leitung und sorgten für den Nachschub der Alliierten.

 

 

 

 

 

Pioniere des luxuriösen Reisens

 

 

Die Geschichte der luxuriösen Zugreisen geht ins Jahr 1864 zurück, als der innovative Eisenbahnbauer George Mortimer Pullman in Großbritannien einen Zug konzipierte, der damals auf dem modernsten technologischen Stand seiner Zeit war. Sein Luxus stellte alle anderen europäischen Züge in den Schatten.

In den siebziger Jahren des 19. Jahrhunderts nahmen die ersten Schlaf- und Gesellschaftswagen in Großbritannien ihren Betrieb auf, und zum ersten Mal wurden Mahlzeiten an Bord eines Zuges serviert. Der erste Pullman-Zug in Europa, der Pullman Limited Express, war ab 1881 im Einsatz. Er fuhr von London nach Brighton und war der erste Zug mit elektrischer Beleuchtung.
 
Kurze Zeit später verband George Mortimer Pullman Zug- und Fährfahrten, und sichere und bequeme Zugreisen zwischen London und Paris wurden Wirklichkeit.

Georges Nagelmackers, ein junger belgischer Zugliebhaber, begann ebenfalls luxuriöse Zugwagen zu bauen. 1881 führte Nagelmackers nach einigen Experimenten den ersten Restaurantwagen auf dem europäischen Festland ein.

 

 

 

 


 

Reisen in Europa

 

 

Nach Fertigstellung der Schlaf- und Restaurantwagen konnte Nagelmackers seinen Traum erfüllen und am 4. Oktober 1883 wurde der Orient-Express feierlich eingeweiht. Die erste Reiseroute verlief von Paris über Straßburg, Wien, Budapest und Bukarest nach Giurgi an der Donau in Rumänien.

Die Jahrhundertwende war eine Blütezeit für Zugreisen. Im Jahre 1906 wurde der Simplon-Tunnel, der mit 20 km längste Tunnel der Welt eröffnet. Dadurch konnte die Fahrtzeit von Paris nach Venedig erheblich verkürzt werden. 1921 erweiterte die Orient-Express Gesellschaft die Simplon-Orient-Express Strecke bis nach Istanbul.
 
In den zwanziger und dreißiger Jahren erlebt der legendäre Zug seine Höhepunkte. Erlesene Mahlzeiten und raffinierte Weine, genossen in unkonventioneller Gesellschaft gehörten zu dieser Epoche der Zugreisen. Könige, Berühmtheiten, Kurtisanen und Spione fuhren luxuriös durch ganz Europa. Wen wundert es da, dass dieser Zug die perfekte Kulisse für Agatha Christies berühmtesten Roman „Mord im Orient-Express“ wurde.

Der Zweite Weltkrieg setzte alldem ein Ende. Der Fährverkehr wurde eingestellt und das Reisen über die Grenzen wurde unmöglich. In der nun folgenden Phase der Depression wurden neben den Luxuswagen auch einfache Wagen an den Zug gehängt. Flugreisen wurden schneller und preiswerter. Der Orient-Express stellte zwar erst im Mai 1977 seinen Betrieb ein, jedoch bestand er auf seiner letzten Fahrt lediglich noch aus einem einzigen Schlaf- und aus drei Tageswagen.

 

 

 

 


 

Geschichte & Geschichten

 

 

Der Orient-Express war Schauplatz realer Geschichte und Kulisse erfundener Geschichten. Die berühmteste ist wohl Agatha Christies Roman „Mord im Orient-Express“, in der ihr Detektiv Hercule Poirot in einem Mord an einem Passagier ermittelt. Der Hollywoodfilm, mit Albert Finney in der Rolle des Hercule Poirot, wurde teils an Bord des Zuges, teils in Nachbauten der Wagen im Studio gedreht.

Der Venice Simplon-Orient-Express war ein Star in sechs Filmen und half unter anderem Cruella da Ville bei ihrer Flucht nach Paris in „102 Dalmatiner“. Es gibt insgesamt 19 Bücher über den Zug und sogar ein Musikstück mit dem Titel „Orient-Express Variations“.
 
Aber die Orient-Express Wagen wurden auch in Wirklichkeit zum Schauplatz abenteuerlicher und geheimnisvoller Szenen. Schlafwagen 3425 war beispielsweise Teil des Orient-Express Zuges, den König Karl von Rumänien nutzte. Und seine Majestät König Boris III von Bulgarien, ein begeisterter Zugliebhaber, fuhr den Zug auch schon gerne einmal selbst.

Der Schlafwagen 3309 gehörte zu einem Zug, der 1929 voll besetzt zehn Tage lang 90 Kilometer von Istanbul entfernt in einem Schneesturm feststeckte. Die Passagiere überlebten nur dank der Hilfe von türkischen Dorfbewohnern aus der Umgebung.

Einige Orient-Express Wagen waren auch während des Zweiten Weltkrieges im Einsatz; entweder waren sie von der deutschen Armee beschlagnahmt worden oder aber sie fuhren unter amerikanischer Leitung und sorgten für den Nachschub der Alliierten.

 

 

 

 


 

Wiedergeburt einer Legende

 

 

James B. Sherwood, Unternehmer und Eisenbahnenthusiast, rettet den Orient-Express. Er ersteigerte 1977 auf einer Sotheby Auktion in Monte Carlo zwei der Wagen. Die nächsten Jahre vergingen und 16 Millionen US-Dollar wurden investiert, um an die 35 alten Schlafwagen, Pullman- und Restaurantwagen zu finden, zu kaufen und zu restaurieren.

Am 25. Mai 1982 war es dann endlich soweit: Der legendäre Venice Simplon-Orient-Express ging auf seine Jungfernfahrt von London nach Venedig.
 
Und auch heute noch fahren die Passagiere in den glänzenden Wagen des Venice Simplon-Orient-Express in exquisitem Ambiente auf einer der wohl romantischsten Strecken quer durch Europa.